Etwa 14 bis 20 Millionen Menschen in Deutschland hören schlecht. Die Tendenz ist steigend. Schwerhörigkeit gehört damit zu den Volkskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder Asthma. Sie schränkt die Kommunikation und somit die Teilhabe der Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ein. Auf der 45. Fortbildungsveranstaltung für HNO-Ärzte vom 27. bis 29. Oktober 2011 in Mannheim diskutieren Experten über Methoden, Hörstörungen frühzeitig zu erkennen, zu behandeln, aber auch zu vermeiden. Die Experten fordern, dass die Krankenkassen Vorsorge, Diagnostik und Therapie stärker unterstützen, so dass Hörstörungen nicht nur frühzeitig erkannt, sondern Patienten auch in Behandlung gelangen. Darüber hinaus fordern die Experten umfassenderen gesetzlichen Schutz vor Lärm.
Auf der Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu Beeinträchtigungen mit mäßiger oder schwerer Behinderung stehen Hörstörungen an erster Stelle, gefolgt von Sehbehinderungen und psychischen Erkrankungen. In Deutschland sind etwa zwei Drittel der Menschen über 60 so stark schwerhörig, dass sie ein Hörgerät benötigen. Da die Menschen hierzulande immer älter werden, ist dies ein wachsendes Problem, sagt Privatdozent Dr. med. habil. Leif Erik Walther aus Sulzbach: „Wird die Hörproblematik nicht erkannt, führt das zu Kommunikationsproblemen, Ausgrenzung oder Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben und damit auch zu Folgeerkrankungen“, so der Experte im Vorfeld der 45. Fortbildungsveranstaltung für Hals-Nasen-Ohren-Ärzte in Mannheim. Schwerhörigkeit sei gerade bei alten Menschen auch ein Risikofaktor für Depressionen.
Aber auch jüngere Menschen sind von Schwerhörigkeit betroffen – sei es durch Entzündungen oder erblich bedingt. Eine der wichtigsten und gleichzeitig vermeidbaren Ursachen ist jedoch Lärmbelastung. „Lärm mit der Folge von Gehörschäden ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein soziomedizinisches Problem“, gibt Dr. Walther zu bedenken. Hier könne nur eine gesetzliche Grenze helfen. Diese gilt bereits für die Arbeit bei Industrielärm – in Deutschland betrifft dies etwa fünf Millionen Arbeitsplätze. „Lärm macht krank“, sagt Dr. Walther entschieden. Demzufolge müsse zum Beispiel auch die Lautstärke von Spielzeugen und tragbaren Musik- und Videoabspielgeräten gesetzlich begrenzt werden. „In einem Rockkonzert ist es mitunter so laut wie bei einem Autorennen, viele empfinden das Kino als zu laut, es gibt Beschwerden über Verkehrs- und Fluglärm“, argumentiert der HNO-Arzt. Er plädiert dafür, Lärmschwerhörigkeit als eine der wichtigsten, aber noch unterschätzten Volkskrankheiten noch stärker zu berücksichtigen: „Wir brauchen gesetzlichen Schutz vor Lärm, müssen aber auch aufklären, wie gefährlich Lärm für die Ohren ist.“
Die Krankenkassen müssten zudem Vorsorge, Diagnostik und Therapie von Schwerhörigkeit unterstützen, um Patienten bestmöglich helfen zu können. Dabei erfordere die Abklärung einer Schwerhörigkeit immer eine fachärztlich Hals-Nasen-Ohrenärztliche Untersuchung. Im Rahmen der Pressekonferenz am Donnerstag, den 27. Oktober 2011 in Mannheim, erläutern Experten, welche klinischen und diagnostischen Methoden bei Hörstörungen Anwendung finden und welche Maßnahmen ergriffen werden können, Hörstörungen zu erkennen, zu vermeiden oder zu behandeln.