Mundgeruch ist nur in seltenen Fällen ein HNO-Problem

Schätzungen zufolge hat etwa jeder dritte Bundesbürger mehr oder weniger chronischen Mundgeruch, medizinisch Halitosis genannt. Die Grenze zwischen schlechtem Atem und krankhaftem Mundgeruch ist fließend. Morgendlicher Mundgeruch nach dem Aufstehen ist normal, da man beim Schlafen weniger Speichel produziert und der Mund dann einfach trockener ist. Auch durch Knoblauch, Zwiebeln oder Alkohol hervorgerufener schlechter Atem ist unbedenklich. Die Abgrenzung zum krankhaften Mundgeruch ist rein ursachenbedingt und in der Regel nicht an eine bestimmte Nahrungsaufnahme gebunden, erklärt Dr. Sebastian Michaelis von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK).

Bei etwa 90% der Patienten liegt die Ursache in der Mundhöhle. "Vor allem auf der großen rauen Oberfläche der Zunge mit ihren zahlreichen Vertiefungen setzen sich Bakterien fest, die keinen Sauerstoff zum Leben brauchen", erklärt Dr. Kai Worch von der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGParo) in Regensburg. Im Rahmen ihres Stoffwechsels produzieren sie flüchtige Schwefelverbindungen, die dann zu dem unangenehmen Geruch führen. Auch in den Zahnzwischenräumen und unter schlecht sitzenden Kronen finden die Bakterien ihre Nischen. Oft sitzen sie auch in Zahnfleischtaschen, die infolge von Entzündungen des Zahnfleisches und des Zahnhalteapparates entstehen und beim normalen Zähneputzen nicht mitgereinigt werden können.

In seltenen Fällen kommen auch Erkrankungen im Hals-Nasen-Ohrenbereich, zum Beispiel vereiterte Mandeln oder Nasennebenhöhlenentzündungen, sowie Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes als Ursachen infrage. Bei einem verschwindend geringen Prozentsatz liegt es an einem undicht abgeschlossenen Magen. "Das ist nur bei weniger als 1 von 1000 Patienten der Fall", sagt Dr. Michaelis.

Ob man Mundgeruch hat, kann man kaum selbst feststellen. "Da sich die Nase an den eigenen Geruch gewöhnt, bringt es wenig, in die Hand zu hauchen und daran zu riechen", erläutert Dr. Michaelis. Gerade deshalb sollten vertraute Familienmitglieder und Freunde Betroffene auf ihren Mundgeruch ansprechen, auch wenn ihnen das unangenehm ist. In der Regel sind die Angesprochenen dankbar, dass sie von ihrem Problem erfahren und dann etwas dagegen unternehmen können. Entscheidend ist ein sensibles Vorgehen.

Damit die Zunge wieder rötlich oder rosa schimmert und nicht von einem weißen, gelben oder braunen Belag bedeckt ist, sollte man sie auch selbst täglich reinigen. "Wichtig ist, dass man die Zunge vorsichtig säubert und nicht verletzt, weil sonst Bakterien ins Blut gelangen können", rät Dr. Michaelis. Die kleinen empfindlichen Erhebungen im hinteren Zungendrittel, die sogenannten Papillen, sollten nicht mitgereinigt werden.

Am besten ist deshalb laut Zahnärztin Dr. Aviva Grinfeld folgende Technik: Die Zunge herausstrecken und vorne an der Spitze breitflächig herunterziehen, auf die genoppte Seite des Zungenreinigers ein neutralisierendes Zink-Gel für Mundgeruch auftragen und dieses langsam vom höchsten Punkt der Zunge, den man sehen kann, nach vorne verteilen. Anschließend ziehe man das Gel mit der anderen Seite des Zungenreinigers ab. Da Zahnbürsten häufig einen Würgereiz auslösen, sollte man spezielle Zungenreiniger mit flachen Borsten verwenden.

Während eine tägliche Zungenreinigung unabdingbar ist, sollte die Verwendung von Mundspüllösungen mit dem Zahnarzt abgesprochen und auf maximal zwei Wochen beschränkt sein. "Lösungen mit Chlorhexidin beispielsweise können bei Daueranwendung je nach Konzentration zu Allergien, einer Verschlechterung der Mundflora oder zeitweisen Verfärbungen an den Zähnen führen", warnt Dr. Michaelis.

Kaugummis versprechen nur scheinbar eine schnelle Lösung. "Sie können zwar die Speichelproduktion anregen, was besonders bei Mundtrockenheit wichtig ist, aber eben nicht die Bakterien eliminieren". Permanentes Kaugummi-Kauen verschlimmere das Problem vielmehr. Der pH-Wert im Mund erhöhe sich soweit, dass die Entstehung der Schwefelverbindungen begünstigt wird. Leiden Patienten unter Mundtrockenheit können sie sich an ihren HNO-Arzt wenden. Quelle: dpa

Weitere News im News-Archiv