Mit der Schwerhörigkeit ist das so eine Sache: Betroffene, vor allem ältere Menschen, blenden das Thema gerne aus oder schalten auf stur, wenn ihre Angehörigen sie auf ein Hörgerät ansprechen. Partner, Kinder und Enkel wiederum könnten in die Luft gehen, wenn als Antwort auf jede zweite Frage ein "Hä? Was?" kommt. Dabei haben Schwerhörige kaum noch einen Grund zur Befindlichkeit. Moderne Hörgeräte sind technisch ausgereift, angenehm zu tragen und fallen wegen ihrer geringen Größe kaum noch auf.
Behandeln lässt sich eine Schwerhörigkeit nach Angaben von Dr. Jan Löhler vom Deutschen Berufsverband der HNO-Ärzte in Neumünster mit einem Hörgerät, einem Implantat oder mit Hilfe einer Operation. Welche Möglichkeit der HNO-Arzt in Betracht zieht, hängt von der Art der Schwerhörigkeit ab. "Denn hinter einer Schwerhörigkeit können verschiedene Ursachen stecken", erklärt der Facharzt für HNO-Heilkunde.
Sorgen Gewebeneubildungen, die den Hörnerv abquetschen, für Beeinträchtigungen, würden diese operativ entfernt. "Es wird dabei eine kleine Prothese eingesetzt, damit die Gehörknöchelchen wieder schwingen", erklärt Dr. Löhler. Diese passiven Elemente stellen die Schallübertragung wieder her. Bei der normalen Abnutzungs-Schwerhörigkeit, die aufgrund von Verschleiß der äußeren Haarzellen im Innenohr früher oder später jeden Menschen trifft und die mit Abstand die häufigste Ursache für Schwerhörigkeit ist, kommen dagegen Hörgeräte zum Einsatz.
Ihr grundlegendes Funktionsprinzip ist einfach: Bei analogen Geräten nimmt ein Mikrofon Geräusche und Stimmen auf, die von einem Verstärker aufbereitet und von einem Mini-Lautsprecher im Gehörgang wiedergegeben werden. Die heute üblichen digitalen Hörgeräte besitzen zum Teil sogar mehrere Mikrofone und statt eines Verstärkers einen leistungsstarken digitalen Signalprozessor. So ist der Mikrochip in der Lage, zwischen Störgeräuschen und Stimmen zu unterscheiden, die Störgeräusche herauszufiltern und die Sprache gezielt zu verstärken. Auch nervige Rückkoppelungen beim Gebrauch elektronischer Geräte würden unterdrückt.
Auch der Tragekomfort ist bei modernen Hörgeräten viel besser als bei den früher üblichen klobigen Analog-Geräten, sagt HNO-Arzt Löhler. Ein weiterer Vorteil: Wegen ihrer geringen Größe fallen digitale Hörgeräte hinter dem Ohr kaum noch auf. Durch die Digitaltechnik ist es außerdem möglich, das Hörgerät feiner auf das Hörvermögen und den Hörbedarf seines Trägers abzustimmen. Denn Patienten mit einem kommunikationsintensiven Beruf stellen andere Anforderungen an ein Hörgerät als Menschen, die eher wenig Kontakt haben oder die gerne in Klassikkonzerte gehen. Die Anpassung eines Hörgeräts ist meist ein Prozess, der Wochen oder Monate dauert. Denn oft muss sich der Träger an die neue Hörqualität gewöhnen und merkt erst mit der Zeit, dass etwas noch nicht richtig justiert ist.
Eine weitere Möglichkeit, Hörschäden zu behandeln, sind Implantate bestehend aus einem Empfangsteil und einem Audioprozessor. Das Empfangsteil wird dabei operativ in den Kopf eingesetzt, der Audioprozessor hinter dem Ohr getragen. "Vorstellen müsse man sich das als ein Hörgerät, das eingeschraubt ist", erklärt HNO-Arzt Dr. Löhler bildhaft. Ihr Vorteil: Der Gehörgang bleibt vollständig offen.
So sehr der technologische Fortschritt es Schwerhörigen inzwischen auch erleichtert, ein Hörgerät zu tragen: Viele können sich dennoch nicht dazu durchringen. «"in Ding hinterm Ohr ist nicht sexy", sagt Dr. Löhler. Eitelkeit halte gerade viele ältere Menschen davon ab. Schwerhörigkeit werde als Makel empfunden, nennt der Deutsche Schwerhörigenbund als Begründung. Schätzungen zufolge seien 30 bis 40 Prozent aller Menschen über 65 Jahre hörgeschädigt. Weniger als die Hälfte derjenigen, die ein Hörgerät benötigen, besitze auch eins. Und allzu oft lägen vorhandene Hörgeräte unbenutzt in der Schublade.
Immerhin beobachtet Dr. Jan Löhler ein Umdenken bei Betroffenen ab einem Alter von etwa 50 Jahren, die durch ihre Schwerhörigkeit auch Schwierigkeiten im Beruf haben. "Da ist die Bereitschaft, ein Hörgerät zu tragen, durchaus da", sagt der HNO-Arzt. Sture Angehörige ließen sich umstimmen, indem man an ihre Zukunft appelliert: Ein Hörgerät ermögliche oft erst wieder die Teilhabe am sozialen Leben - und es verhindere, dass Schwerhörige intellektuell verkümmern. Denn mit der Zeit gehe auch Intelligenz verloren, wenn Schwerhörige nicht mehr kommunizieren und sich aus Scham aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen. Dieses Argument ziehe meistens, so Dr. Löhler: "Man packt die Leute bei der Vernunft."
Bildquelle: www.fotolia.de