Krankenkassen wollen ärztliche Untersuchungen bei schwerhörigen Patienten einschränken

Viele große Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK) wollen die ärztliche Versorgung bei schwerhörigen Versicherten drastisch einschränken. Das geht aus einem Vertrag hervor, der zwischen dem AOK-Bundesverband und mindestens einer großen Hörgeräteakustiker-Kette in Deutschland abgeschlossen wurde. Demnach sollen schwerhörige Patienten, die beim Hörgeräteakustiker ein Hörgerät erhalten haben, nicht mehr zum HNO-Arzt gehen, der bisher diese Anpassung medizinisch überprüft und abgenommen hat. Gleiches gilt auch im Falle einer notwendigen Folgeversorgung. Sollte sich eine Verschlechterung des Hörvermögens vor Ablauf des vorgegebenen Versorgungszeitraums ergeben, so kann eine Wiederversorgung „…nur mit Zustimmung der AOK erfolgen“. Nach Ansicht des Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte (HNO-Verband) ist diese Vereinbarung gesetzeswidrig und widerspricht sowohl den Hilfsmittel- als auch den Qualitäts-Richtlinien des Sozialgesetzbuches (SGB V). „Dieser Vertrag ist ein Skandal. Insbesondere für unsere schwerhörigen Patienten, die ja von dieser Vereinbarung nichts wissen. Zukünftig werden sie nach erfolgter Diagnose zum Spielball zwischen Hörgeräteakustiker und Krankenkasse. Wir Ärzte sollen außen vor bleiben, sowohl bei der Überprüfung des neuen Hörgerätes – als auch bei der Folgeversorgung. Leidtragende sind die Patienten, die Anspruch auf eine qualitativ hochwertige ärztliche Versorgung haben und bereits heute viel zu oft hohe Zuzahlungen leisten müssen, wenn ihnen beim Hörgeräteakustiker ein Hörgerät angepasst wird“, kritisiert Dr. Dirk Heinrich, Präsident des Berufsverbandes der HNO-Ärzte Deutschlands.

Hohe Preise – viele Zuzahlungen

Nach einer Erhebung des Deutschen Schwerhörigen Bundes (DSB) liegt der Durchschnittswert der Zuzahlung pro Patient in Deutschland bei fast € 1.600.- Euro. Nur etwa 7 % aller Versicherten erhalten Hörgeräte zum Festbetrag, der von der Krankenkasse erstattet wird. „Deutschland gehört im internationalen Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Preisen für Hörgeräte. Es gibt hierzulande mehr Hörgeräteakustiker als HNO-Ärzte. Und kaum ein schwerhöriger Patient kommt nach der Verordnung eines Hörgerätes an einer zum Teil gesalzenen Zuzahlung vorbei. Mit solchen Verträgen, die eine ärztliche Kontrolle einschränken sollen, wird sich die Zahl der Zuzahlungen wohl kaum reduzieren“, vermutet Heinrich. „Das Hörvermögen verschlechtert sich mit zunehmendem Alter. Eine regelmäßige medizinische Kontrolle ist sinnvoll, denn nicht jede Verschlechterung des Hörvermögens kann mit einem Hörgerät ausgeglichen werden. Häufig liegen Befunde vor, die eine medizinische Behandlung nötig machen und von Nicht-Medizinern gar nicht erkannt werden können. Insofern ist dieser Vertrag nicht nur skandalös, sondern kann auch für betroffene Patienten gravierende Folgen haben, wenn er sich bei medizinischen Problemen auf die Auskunft von Krankenkasse oder Hörgeräteakustiker verlassen soll.“ In Deutschland gibt es etwa 14 Millionen Menschen, deren Gehör geschädigt ist. Ungefähr drei Millionen können aus unterschiedlichen Gründen keinen Nutzen aus einer Hörgeräteversorgung ziehen. Insgesamt wurden im Jahr 2010 rund 851. 000 Geräte in Deutschland verkauft. Diese Pressemeldungdes Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte (BVHNO) ist zur Veröffentlichung (ohne Bild) freigegeben. Bitte weisen Sie bei Verwendung im Printbereich auf das Informationsportal des BVHNO, www.hno-aerzte-im-netz.de, hin. Bei Online-Veröffentlichung erbitten wir eine Verlinkung auf die Website.

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