Aus der Forschung: Kunst-Muskel ermöglicht Lidschluss bei Gesichtslähmung

Patienten mit einer schweren Gesichtslähmung könnte der Einsatz eines künstlichen Muskels wieder einen natürlichen Lidschluss ermöglichen. Plastische Chirurgen aus Kalifornien stellen diese erste Anwendung von „künstlichen Muskeln" in der Medizin in einer aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Archives of Facial Plastic Surgery vor. Bisher wurde der Eingriff allerdings nur an Leichen durchgeführt.

Ein fehlender Lidschluss kann zu einer Schädigung der Augenhornhaut führen. Um dies zu verhindern, wird gesichtsgelähmten Patienten heute entweder ein kleines Gewicht aus Gold oder Titan ins Oberlid implantiert oder es wird versucht, durch einen operativen Eingriff den Lidspalt zu verkleinern. Dr. Craig Senders und Mitarbeiter von der Universität in Sacramento schlagen als Alternative folgenden Eingriff vor: In Oberlid und Unterlid wird jeweils ein Kunststoff-Faden implantiert. Beide Fäden sind über die Nase fest am Knochen verankert. Wenn von der Schläfe aus an den beiden Fäden gezogen wird, erzwingt dies einen Lidschluss. Nach dem Loslassen öffnen sich die Lider wieder.

Ein Motor, der schnell und regelmäßig an den Fäden zieht, simuliert das natürliche Blinzeln, durch das die Hornhaut befeuchtet wird. Für den Motor griffen die Chirurgen auf eine Entwicklung einer kalifornischen Firma zurück, auf den „künstlichen Muskel" EPAM. EPAM steht für „electroactive polymer artificial muscle". Es handelt sich um einen Kunststoff, der sich nach elektrischer Reizung schnell zusammenzieht.An EPAM haben Senders und Mitarbeiter die freien Enden ihrer „Lidschlinge" befestigt. Der EPAM lässt sich äußerlich kaum sichtbar in der Schläfengrube anbringen. Dort ist auch Platz genug für eine kleine Batterie, die den Motor mit Strom versorgt. Ähnliche Aggregate werden auch bei Innenohr-Prothesen, so genannten Cochlea-Implantaten, verwendet. Die Steuerung soll über einen Sensor erfolgen, der unter der Augenbraue auf der nicht gelähmten Gesichtshälfte implantiert werden würde. Er würde den natürlichen Lidschluss oder ein willkürliches Blinzeln erkennen und dann jeweils den Motor aktivieren.

Die ersten operativen Eingriffe an nicht lebenden Objekten verliefen erfolgreich. Derzeit versuchen die Forscher, ihr Verfahren weiter zu verfeinern. Sie hoffen, innerhalb von fünf Jahren mit ersten klinischen Studien beginnen zu können.

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